AfD in der Regierung – Das Worst-Case-Szenario für den Verfassungsschutz

Am 6. Februar 2013 gründen 18 Männer die „Alternative für Deutschland“. Heute, elf Jahre
später, ist aus der einstigen Professorenpartei ein rechtsextremistischer Verdachtsfall geworden.
Drei Landesverbände der AfD sind vom jeweiligen Verfassungsschutz bereits als „gesichert
rechtsextremistisch“ eingestuft: Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Dennoch kommt die
AfD auf starke Umfragewerte. In jüngsten Umfragen erreicht sie in Thüringen 36 Prozent, in
Sachsen-Anhalt 34 Prozent und in Sachsen 32 Prozent. In allen drei Ländern ist sie stärkste
Kraft. In allen drei Ländern finden in diesem Jahr Landtagswahlen statt.

Diese Konstellation könnte dazu führen, dass eine als rechtsextremistischer Verdachtsfall
eingestufte Partei zum ersten Mal Landtagswahlen gewinnt. Angesichts des am Mittwoch
bekanntgewordenen Geheimtreffens von AfD-Parteimitgliedern und Rechtsextremisten ist
unsere Demokratie daher stark bedroht. Nach Recherchen des Netzwerks „Correctiv“
schmiedeten sie im vergangenen November rassistische Massenvertreibungspläne. Ort des
Geschehens war das Landhaus Adlon, Luftlinie nur wenige Kilometer von der Wannsee-Villa
entfernt. Ein Zufall?

Kanzler Scholz spricht von einem „Fall für unseren Verfassungsschutz“. Was aber wäre, wenn
gerade dieser Verfassungsschutz vom Erstarken der Rechtsextremisten bedroht ist? Was wäre,
wenn gerade dieser, der jene Verfassungsfeinde entlarven soll, unter deren Ägide fällt?

Man stelle sich vor: Die AfD ist an einer Regierung beteiligt. Extremistisches Gedankengut ist
salonfähig geworden, in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Nun wird die Partei ein
Interesse an der Sicherung ihrer Macht haben. Sogleich wird sie bestehende Rechte zu ihren
Zwecken nutzen. Ein Vergleich mit autoritären Regimen zeigt, dem Verfassungsschutz könnte
schließlich das Worst-Case-Szenario drohen: politische Instrumentalisierung. Grund ist die
fehlende Konzeption eines Verfassungsschutzes, der unsere Demokratie gegen Bedrohungen
innerhalb der Exekutive verteidigt, denn das Gesetz geht davon aus, dass diese stets außerhalb
liegen.

Der Verfassungsschutz ist weisungsgebunden. Er generiert und analysiert lediglich Daten über
extremistische Bestrebungen, deren Bekämpfung dann im Ermessen der politischen
Entscheidungsträger liegt. Als Teil einer Regierung könnte die AfD also den staatlichen
Umgang mit extremistischen Tendenzen in ihrer Partei beeinflussen. Würde ihr das
Innenministerium zuteil, könnte sie sogar frei darüber disponieren. Insbesondere das weitere
Verfahren mit dem Beobachtungsstatus der AfD und ein potenzielles Parteiverbot würden dann
zugunsten der Partei gestaltet. Der Verfassungsschutz kann Instrumentalisierung wenig
entgegenhalten. Während gesetzlich nur die Voraussetzungen zur Beobachtung normiert sind,
obliegen politische Konsequenzen dem Innenministerium. Damit erweist sich der
Verfassungsschutz als Einfallstor für rechte Strategien.

Denkbar scheint indes, die Immunität des Verfassungsschutzes gegen politische
Instrumentalisierung durch einen Ausschluss der AfD von sensiblen Informationen zu wahren.
Dem Informationsinteresse einer Regierungspartei stünde schließlich das öffentliche Interesse
des Geheimschutzes gegenüber. Der Geheimschutz ist ein Rechtsgut von Verfassungsrang.
Doch ein einseitiger Ausschluss einer Regierungspartei durch den Verfassungsschutz verbietet
sich aufgrund des parlamentarischen Kontrollauftrags nachrichtendienstlicher Tätigkeiten.

Im Ergebnis kann nur eine ausdifferenziertere Gesetzeslage das skizzierte Worst-Case-Szenario
vom Verfassungsschutz abwenden. Der aktuell unscharfen Gesetzeslage muss sich der
Gesetzgeber umgehend annehmen. Gelegentliche Empörung über Rechtsextremismus genügt
schon lange nicht mehr. Es ist Zeit, für die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie einzutreten. Der
Verfassungsschutz ist dabei als Kern der inländischen Sicherheitsarchitektur unerlässlich


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Dieser Artikel soll in die Sozialen Netzwerke? Gerne! Allerdings nur unter Beachtung des Mottos "2 Klicks für mehr Datenschutz"

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